Obwohl sie schon lange unter Naturschutz stehen, zählen Fledermäuse nach wie vor zu den stark gefärdeten Arten in Deutschland. Der massive Einsatz von Insektiziden vergiftet ihre Nahrung, intensive Landwirtschaft raubt ihnen die Lebensräume und unbedachte Bausanierungen oder Abrisse zerstören ihre Schlafplätze. Ehrenamtlichen Naturschützern wie der Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg e.V. ist es zu verdanken, dass sich vielerorts die Bestände erholen und die Bevölkerung achtsam und wohlwollend auf die lautlosen Flugkünstler reagiert. Dabei ist die intensive Öffentlichkeitsarbeit ein wichtiges Instrument, weiß Vereinsvorsitzende Ingrid Kaipf. Beruflich hat sie viele Jahre mit Fledermäusen in der Forschung gearbeitet und deren erstaunliche Fähigkeit zur Echo-Ortung erforscht. Ihr Knowhow bringt sie seit 1993 ehrenamtlich in den Artenschutz ein und ist noch immer fasziniert, wenn sie in der Dämmerung auf Exkursionen geht.
Ingrid, was wissen unsere Leser garantiert nicht über Fledermäuse?
„Da gibt es sicher eine ganze Menge interessanter Fakten. Zum Beispiel, dass Fledermäuse über dreißig Jahre alt werden können und pro Jahr meist nur ein Junges bekommen. Was viele ebenfalls erstaunt: Die Zwergfledermaus, eine der in Deutschland weit verbreitete Arten, ist gerade einmal zwei Gummibärchen schwer. Übrigens werde ich hin und wieder immer noch gefragt, wo Fledermäuse ihre Nester bauen und wie viele Eier sie legen. Tatsächlich halten viele die kleinen Flugkünstler fälschlicher Weise für Vögel und nicht für Säugetiere.“
Sind die Vorbehalte in der Bevölkerung gegenüber Fledermäusen in der Corona-Krise gestiegen?
„Nein, eigentlich nicht. Natürlich gibt es einige Mitmenschen, die sich vor Fledermäusen fürchten, aber da geht es meist um irrationale Ängste und nicht um die Übertragung von Krankheitserregern. Von unseren heimischen Fledermäusen geht für den Menschen keinerlei Gefahr aus. Sie haben mehr Angst vor uns als wir vor ihnen. Übrigens zeigen in der Regel nur Erwachsene eine Scheu vor den Tieren. Kinder hingegen sind eher neugierig und ohne Vorbehalte. Es macht großen Spaß, sie für den Schutz von Fledermäusen zu begeistern.“
Warum ist es wichtig und notwendig, diese einzigartigen Tiere zu schützen?
„Weil sie unsere fliegende Insektenpolizei sind. Eine einzige Zwergfledermaus vertilgt pro Nacht rund 1.000 lästige Stechmücken. Wenn sie trächtig ist, frisst sie sogar das Dreifache. Das und die Tatsache, dass der Bestand der Fledermäuse in den 50er bis 70er Jahren durch den massiven Einsatz chemischer Mittel in der Forst- und Landwirtschaft dramatisch zurückgegangen ist, macht die Arbeit unseres Vereins wichtig und notwendig. Mittlerweile müssen wir uns natürlich noch mit weiteren Faktoren auseinandersetzen. Durch die zunehmende Zersiedelung und Bebauung werden die Naturräume für die Fledermaus immer kleiner. Auch unser Klima verändert sich und das sorgt dafür, dass heimische Arten immer weiter in den Norden ausweichen und durch neue invasive Arten, wie die Weißrandfledermaus, verdrängt werden.“
Die Arbeitsgemeinschaft gibt es seit 1980. Welche Erfolge haben Eure Bemühungen bislang?
„Damals waren wir noch kein eingetragener Verein und eher wissenschaftlich unterwegs. Unsere AG bestand zur Hälfte aus Akademikern und zur anderen Hälfte aus Höhlenforschern. Mittlerweile haben sich auch viele Privatpersonen dem Fledermausschutz verschrieben und sind unserem Verein beigetreten. Erfolge können wir auf jeden Fall verbuchen. Auch wenn sich nicht alle Bestände aus den genannten Gründen wieder völlig erholt haben, sind die Menschen zunehmend sesibilisiert für den Fledermausschutz. Nicht zuletzt aufgrund unserer intensiven Informations- und Aufklärungsarbeit über die letzten Jahrzehnte. Wie heißt es so schön? Wissen ist Macht. Wenn wir Menschen fundierte Kenntnisse über Fledermäuse, deren Lebensweise, Nutzen und Bedürfnisse vermitteln, ist das meiner Meinung nach der wirksamste und nachhaltigste Schutz, den wir leisten können. “
Wie sieht die Vereinsarbeit konkret aus und was macht Dir dabei am meisten Spaß?
„In unseren Anfängen haben wir primär die uns bekannten Fledermaushöhlen vergittert und so sichere Winterquartiere geschaffen. Heute ist unser Aktionsradius viel breiter. Etliche Mitglieder nehmen immer wieder verletzte oder geschwächte Findelkinder auf und pflegen sie, bis sie wieder ausgewildert werden können. Über unser Nottelefon können solche Fälle gemeldet werden. Regelmäßige Bestandsaufnahmen, der Biotopschutz und die Beratung von Behörden und Privatpersonen gehören auch zu unseren Aufgaben. Um den Lebensraum der Fledermäuse zu erhalten und zu erweitern, müssen wir jede Menge Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Wir informieren und klären auf – im Netz, in den Schulen und natürlich direkt in der Natur. Das macht mir am meisten Spaß – mit einer Gruppe von Kindern, ausgerüstet mit Ultraschalldetektoren die Natur zu entdecken. Da merke ich immer wieder, wie begeisterungfähig die Kids sind und wie hungrig nach Erlebnissen im Freien.“
Trefft ihr dabei auch garantiert jedes Mal auf Fledermäuse?
„Natürlich. Anders als beim Whale-Watching garantieren wir auf unseren Exkusionen ein hundertprozentiges Erfolgserlebnis. Außerdem habe ich fast immer eine Fledermaus dabei, die bei mir in der Pflegestation lebt und deshalb weniger scheu ist – meist ist es ein Großer Abendsegler mit einer beachtlichen Spannweite von etwa 45 Zentimeter. Die sind etwas robuster als die winzigkleinen Zwergfledermäuse und die Kinder finden es faszinierend, das Tier ganz aus der Nähe betrachten zu können.“
Wie ist der Verein organisiert und wieviel Zeit investierst Du als Vorsitzende in die ehrenamtliche Arbeit?
„Das Herausfordernde an unserer Vereinsarbeit ist, dass wir ja an ganz verschiedenen Orten in Baden-Württemberg aktiv sein müssen. Das beginnt beim Notruf, wenn eine verletzte Fledermaus gefunden wird, und geht bis zur Sicherung einzelner Quartiere oder der Bestandszählung in den verschiedenen Regionen. Deshalb sind wir ganz klassisch wie in einer Pyramide organisiert – mit dem Vorstand, unseren vier Regionalvertretern und ihnen zugeordneten regionalen Betreuern, die dann bei Notfällen schnell vor Ort sein können. Für mich selbst vergeht kein Tag ohne Vereinsarbeit. Allein die Emails zu beantworten und die Einsätze zu koordinieren, kostet viel Zeit. Aber solange ich hin und wieder selbst in der Dämmerung unterwegs sein kann, um Fledermäuse zu beobachten und andere für diese Tiere zu begeistern, ist es das schönste Ehrenamt, das ich mir vorstellen kann.“ www.agf-bw.de/willkommen
Tipp: Traditionell findet am letzten Augustwochenende die internationale BATNIGHT statt – mittlerweile in über 35 Ländern. Auf zahlreichen familien- und kinderfreundlichen Veranstaltungen und abendlichen Exkursionen kann man dabei viel über die wendigen Insektenjäger erfahren und sie hautnah beobachten. In Deutschland wird die BATNIGHT vom NABU organisiert, unterstützt von vielen Natur- und Artenschutzverbänden. Auch die AG Fledermausschutz Baden-Württemberg e.V. wirkt mit. Weitere Informationen zur BATNIGHT 2022 am 27./28. August gibt es hier: www.nabu.de