Vierzig Jahre später wird nicht mehr nur an Speisen und Getränken tragenden Tischen diskutiert. Social Media Blasen quellen über vor extremem Gedankengut, an Universitäten werden einseitig geprägte Parolen gerufen und auf den Straßen versammeln sich Extremisten, die unserer Demokratie ans Leder wollen. Dass derartige Entwicklungen vor Vereinen Halt machen würden, war nicht zu erwarten.
Die Realität ist, dass auch in Vereinen heikle Situationen entstehen, wenn einzelne Mitglieder politisch extreme Positionen vertreten. Extreme Äußerungen können nicht nur das harmonische Miteinander innerhalb des Vereins stören, sondern auch das öffentliche Image und die rechtliche Stellung des Vereins gefährden. Um den Verein als Ort des respektvollen und konstruktiven Miteinanders zu erhalten, sind Wissen um gesetzliche Grundlagen, eine starke Satzung und ein Krisenplan wichtige Instrumente.
Gesetzliche Grundlagen
Sowohl das Grundgesetz wie auch das Bürgerliche Gesetzbuch regeln grundlegende Punkte wie bspw. die Vereinigungsfreiheit oder, dass ein Verein eine Satzung braucht, um zu regeln, wofür der Verein gegründet wurde und wie er seine Zwecke erfüllt. Nach wie vor gilt es eher als Common Sense, dass die demokratische Grundordnung von allen im Verein anerkannt und eingehalten wird. Tatsächlich gibt es aber klare gesetzliche Regeln auf die man sich im Zweifel auch berufen sollte:
Grundgesetz, Artikel 9
1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
Satzung
Das wichtigste und mächtigste Regelwerk ist die Satzung, wenn es darum geht, das Vereinsleben auf Dauer gedeihlich zu gestalten und Störenfriede aus der Gemeinschaft rauszuhalten.
Meist sind Vereinsgründerinnen und Vereinsgründer beim Erstellen der Satzung darauf fokussiert, ihre vielen Ideen in den Satzungszweck zu quetschen und jonglieren dabei im Hinterkopf mit Anforderungen des Finanzamts bezüglich der Gemeinnützigkeit. Und wer erwartet schon, dass sich dem mit so vielen guten Gedanken gegründeten Verein Menschen anschließen könnten, die eine extreme politische Gesinnung haben…
Besonders jetzt, in diesen spannungsgeladenen Zeiten, ist es sinnvoll, die Satzung und damit den Verein gegen Extremdenker zu schützen. Warum nicht einen Wertekodex in die Satzung integrieren? Etwa so: „Der Verein setzt sich für die Förderung von (z. B. Bildung, Kultur, sozialem Zusammenhalt, etc.) ein und verpflichtet sich den Grundsätzen der Demokratie, Toleranz und der Achtung der Menschenwürde. Jegliche Aktivitäten, die diesen Grundsätzen widersprechen, sind unvereinbar mit der Mitgliedschaft oder einem Amt im Verein.“
In der Satzung muss geregelt sein, wie die Mitgliedschaft erworben wird. Neben der Regelung des Vorgangs selbst könnte auch hier eine Hürde für unliebsame Interessenten eingebaut werden: „Voraussetzung für den Erwerb der Mitgliedschaft ist die Anerkennung und das aktive Eintreten für die in der Satzung verankerten Vereinsziele sowie die Verpflichtung, sich gegen jegliche Form von Extremismus, Rassismus und Diskriminierung zu positionieren.“
Wer Mitglied eines Vereins ist, hat Rechte und auch Pflichten. Üblicherweise geht es hier oft um Beitragszahlungen oder Arbeitsleistungen, die für den Verein zu erbringen sind. Aber auch in diesem Bereich der Satzung ist Platz für Verhaltensregeln, die zur Pflicht erhoben werden können: „Jedes Mitglied verpflichtet sich, das Ansehen des Vereins in der Öffentlichkeit zu wahren und sich von politisch extremen Aktivitäten, die die freiheitliche demokratische Grundordnung gefährden, zu distanzieren. Verstöße hiergegen führen zu disziplinarischen Maßnahmen, die bis zum Ausschluss aus dem Verein führen können.“
Was ist extrem?
Wortreiches Kopfschütteln zu politischen Entscheidungen, mal über die Steuerpolitik schimpfen oder auch verdrossen auf empfundenen Stillstand blicken, kommt in den besten Familien vor. Doch was, wenn ein Vereinsmitglied immer
wieder gezielt gegen eine Bevölkerungsgruppe stichelt, konkrete Drohungen gegen Lokalpolitiker ausstößt oder behauptet, Deutschland wäre ohnehin keine Demokratie? Der Grad zwischen Meckern und dem Säen von Hass und Intoleranz ist schmaler als man gemeinhin denkt.
Daher heißt es wachsam sein und genau hinhören. Folgende Merkmale lassen erkennen, dass die Grenze vom üblichen Gemecker zum politischen Extrem überschritten werden:
- Verstoß gegen demokratische Prinzipien: Äußerungen, die Grundrechte wie Meinungsfreiheit, Gleichheit vor dem Gesetz und Menschenwürde missachten oder ablehnen.
- Gewaltbefürwortung: Kommentare, die Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele darstellen.
- Hassrede: Sprache, die darauf abzielt, Personen oder Gruppen aufgrund von Rasse, Ethnizität, Religion, Geschlecht oder sexueller Orientierung zu diskriminieren oder herabzusetzen
- Verschwörungstheorien: Verbreitung von unbegründeten oder widerlegten Theorien, die oft dazu dienen, Misstrauen gegenüber traditionellen Medien, wissenschaftlichen Institutionen oder der Regierung zu schüren.
- Radikale Ideologisierung: Äußerungen, die extreme politische Ideologien verherrlichen und alle anderen Sichtweisen als illegitim oder feindlich darstellen.
Der Notfallplan
Wurde festgestellt, dass ein Vereinsmitglied politisch extreme Äußerungen tätigt oder Verhaltensweisen zeigt, ist es wichtig, einen klaren und durchdachten Handlungsplan zu entwickeln, um die Situation angemessen zu adressieren.
Schritt 1: Bewertung und Dokumentation
Zuerst müssen alle relevanten Informationen über Äußerungen und Verhaltensweisen des Mitglieds gesammelt werden, bspw. Social Media Posts. Mündliche Aussagen sollten im Kontext, mit Datum und Zeugen notiert werden
Prüfen, ob Verstöße gegen die Satzung oder Gesetze vorliegen. Ggfls. rechtlichen Rat einholen.
Schritt 2: Interner Dialog
In einer Vorstandssitzung kann die Situation vorbesprochen werden, um dann auch jedem Vereinsmitglied die Möglichkeit zu bieten, seine Sichtweise darzulegen und Vorschläge für das weitere Vorgehen zu machen.
Entwickeln Sie eine gemeinsame Strategie, wie mit dem Mitglied und der Situation umgegangen werden soll.
Schritt 3: Gespräch mit dem betroffenen Mitglied
Führen Sie ein persönliches Gespräch mit dem betroffenen Mitglied. Ziel ist es, das Mitglied über die Bedenken zu informieren und seine Sichtweise zu hören. Vermeiden Sie dabei auf jeden Fall, sich in eine politische Diskussion verwickeln zu lassen.
Erklären Sie deutlich, warum die Äußerungen oder Verhaltensweisen als problematisch angesehen werden und wie sie die Werte und Ziele des Vereins beeinträchtigen.
Schritt 4: Maßnahmen ergreifen
Je nachdem wie einsichtig sich die Person zeigt, könnten Sie die Teilnahme an Workshops zu politischer Bildung oder Demokratieförderung empfehlen.
Möchte die Person Mitglied des Vereins bleiben, könnten Sie eine Vereinbarung treffen, die spezifische Erwartungen und Konsequenzen bei weiteren Verstößen festlegt.
Wenn das Gespräch nicht fruchtet oder die Satzung dies vorsieht, kann eine disziplinarische Maßnahme bis hin zum Ausschluss aus dem Verein notwendig sein.
Danach ist nicht vorbei
Ist eine schwierige Situation gemeistert, ist es nur normal, dass sich alle wieder in die Vereinsarbeit stürzen, um den Ärger und den Stress zu vergessen. Der Blick soll sich wieder nach vorn richten. Sinnvoll wäre, den Vorfall nochmal transparent in einer Mitgliederversammlung aufzuarbeiten und präventive Maßnahmen festzulegen und umzusetzen, wie bspw. die Satzung entsprechend anzupassen. Darüber hinaus könnten regelmäßige Bildungsprogramme und Diskussionsrunden etabliert werden, um Extremismus vorzubeugen. Die Bundeszentrale für politische Bildung bietet eine Datenbank mit
Trägereinrichtungen im ganzen Bundesgebiet.