Das Herrenberg-Urteil
Das Bundessozialgericht (BSG) entschied am 28. Juni 2022 im sogenannten „Herrenberg-Urteil“, dass eine Musikschullehrerin, die auf Honorarbasis tätig war, als abhängig beschäftigt einzustufen ist und somit der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Ausschlaggebend waren ihre Eingliederung in die Organisationsstruktur der Musikschule und ihre Weisungsgebundenheit hinsichtlich Orts, Zeit und Inhalt des Unterrichts. Dieses Urteil führte zu erheblicher Verunsicherung bei Bildungseinrichtungen, da sie nun mit Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen rechnen mussten.
Der Bundestag beschloss am 30. Januar 2025 eine Übergangsregelung hinsichtlich der Beschäftigung von Lehrkräften und der Bundestag stimmte dieser am 14. Februar 2025 zu.
Neue Regelungen seit dem 14. Februar 2025
Mit der Zustimmung des Bundesrats war klar, dass die seit Jahrzehnten gängige Praxis nun der Vergangenheit angehört.
Die neu getroffene Regelung, festgehalten in § 127 SGB IV, sieht vor, dass bis zum 31. Dezember 2026 keine Sozialversicherungsbeiträge nachgefordert werden, wenn beide Vertragsparteien bei Vertragsschluss von einer selbstständigen Tätigkeit ausgingen und die Lehrkraft dieser Regelung zustimmt.
Ab dem 1. Januar 2027 greift dann die Versicherungspflicht, sofern eine abhängige Beschäftigung festgestellt wird.
Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung änderten daraufhin ihre Prüfkriterien. Nach den neuen Vorgaben wäre ein selbstständiger Sozialversicherungsstatus von Lehrkräften dann die Ausnahme, weil folgende Tätigkeitsmerkmale für eine abhängige Beschäftigung sprechen:
- Pflicht zur persönlichen Arbeitsleistung
- Festlegung bestimmter Unterrichtszeiten und Unterrichtsräume durch die Bildungseinrichtung
- Kein Einfluss auf die zeitliche Gestaltung der Lehrtätigkeit
- Meldepflicht für Unterrichtsausfall aufgrund eigener Erkrankung oder sonstiger Verhinderung
- Keine unternehmerischen Chancen (z. B. weil keine eigenen Teilnehmer akquiriert und auf eigene Rechnung unterrichtet werden können)
- Lehrkraft darf keine Subunternehmer einsetzen
Diese Kriterien treffen wohl auf die meisten Lehrtätigkeiten in Vereinen zu. Folglich wären Lehrkräfte in aller Regel ab sofort nur noch auf Anstellungsbasis zu beschäftigen. Doch gibt es eine Übergangszeit, die es Vereinen erlaubt, ihr Geschäftsmodell entsprechend anzupassen, bzw. neu aufzustellen.
Was betroffene Vereine jetzt tun können
Bestehende Honorarverträge auf Kriterien der Selbstständigkeit überprüfen. Dokumentieren, dass beide Parteien bei Vertragsschluss von einer selbstständigen Tätigkeit ausgingen und die Zustimmung der Lehrkraft zur Übergangsregelung einholen.
Sollen weiterhin Honorarkräfte beschäftigt werden, müssen die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung, wie feste Arbeitszeiten oder Weisungsgebundenheit reduziert werden, um die Selbstständigkeit der Lehrkräfte zu wahren.
Besonderheit Musikschulen
Vereine, die Musikunterricht anbieten, könnten prüfen, ob die Lehrtätigkeit die Voraussetzungen des Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG) erfüllen würde. Zwar muss der Auftraggeber die Beiträge abführen, doch sind diese weit geringer als die Regelbeiträge bei einer abhängigen Beschäftigung. Unter diesen Voraussetzungen greifen dann auch die Vorschriften zur Rentenversicherung für selbstständig tätige Lehrer, d. h. die bis dahin von diesen geleisteten Beiträge gelten als zu Recht entrichtet und erworbene Leistungsansprüche bleiben damit bestehen.
Alternativ: Übungsleiterpauschale plus Minijob
Mit einem Steuerberater lässt sich prüfen, ob es in Fällen nebenberuflich tätiger Lehrkräfte möglich ist, eine Kombination aus Übungsleiterfreibetrag (3.000 Euro) und Minijob möglich (bis zu 6.672 Euro) ist. Insgesamt könnte so eine jährliche Vergütung von bis zu 9.672 Euro gezahlt werden, ohne dass mehr als pauschale Abgaben (30 Prozent) anfallen.