Ein Verein lebt vom Engagement seiner Mitglieder. Das betrifft nicht nur das Wirken nach Außen, um den Vereinszweck zu erfüllen. Auch die Gestaltung des Miteinanders im Verein sollte nicht allein dem Vorstand überlassen sein. Damit aus den vielen Ideen, Wünschen und Forderungen einzelner Mitglieder nicht ein unübersichtliches Chaos entsteht, gibt es die Mitgliederversammlung. Sie ermöglicht jedem Vereinsmitglied, sein Bestimmungsrecht über den Verein auszuüben – in geordneten Bahnen und innerhalb festgelegter Regeln. Eine davon lautet: Für eine gemeinschaftliche Beschlussfassung, muss zunächst ein Antrag gestellt werden.
-> Definition: Ein Antrag ist das Ersuchen eines Vereinsmitglieds, eine Entscheidung durch die Mitgliederversammlung herbeizuführen.
Fehler in der Antragstellung können Beschlüsse ungültig machen
Anträge sind die Grundlage von Beschlüssen durch die Mitgliederversammlung. Deshalb hat jedes Mitglied des Vereins grundsätzlich das Recht, Anträge zur Tagesordnung zu stellen. Das Antragsrecht ist – genau wie das Teilnahmerecht – ein unverzichtbares Mitgliederrecht und gilt selbst für Vereinsmitglieder, die kein Stimmrecht haben. Es kann nicht durch die Satzung eingeschränkt oder gar unterbunden werden. Bei der Antragstellung gibt es einiges zu beachten. Werden dabei Fehler gemacht, können daraufhin gefasste Beschlüsse angefochten und unter Umständen für ungültig erklärt werden. Deshalb ist es wichtig, Mitglieder ausführlich über ihr Antragsrecht zu informieren und gegebenenfalls durch die Satzung eindeutige Ergänzungen bzw. Einschränkungen festzulegen.
Die wichtigsten Antragsformen im Überblick
Antrag ist nicht gleich Antrag. Folgende gilt es zu unterscheiden und bei Bedarf richtig einzusetzen:
- Sachanträge
Per Sachantrag können Mitglieder einen spezifischen Vorschlag oder eine Bitte die Vereinsarbeit betreffend auf die Tagesordnung der Mitgliederversammlung setzen. Diese geht allen Vereinsmitgliedern mit der Einberufung zu. Achtung: Gültige Beschlüsse können nur über die in der Einladung gelisteten Tagesordnungspunkte (TOP) gefasst werden. Deshalb müssen Sachanträge rechtzeitig VOR der Mitgliederversammlung gestellt werden. So hat jedes Vereinsmitglied die Möglichkeiten, sich über die TOP zu informieren und zu entscheiden, ob die anstehenden Beschlüsse seine Anwesenheit erfordern.
Rechtsgrundlage: § 32 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs regelt, dass ein Beschluss nur dann getroffen werden kann, wenn schon bei der Einladung zur Versammlung diejenigen TOPs, über die abgestimmt werden soll, klar benannt sind.
- Änderungsanträge
Ein Änderungsantrag ermöglicht es den Versammlungsteilnehmern, den ursprünglichen Antrag anzupassen oder zu präzisieren. Der Änderungsantrag wird in der Regel während der Diskussion über den ursprünglichen Antrag vorgebracht und erfordert eine separate Abstimmung. Wichtig: Er muss in einem sachlichen Bezug zum Hauptantrag stehen, sonst darf darüber nicht abgestimmt werden. Wenn der Änderungsantrag angenommen wird, wird der ursprüngliche Antrag entsprechend geändert, bevor über ihn endgültig abgestimmt wird. Falls der Änderungsantrag abgelehnt wird, bleibt der ursprüngliche Antrag unverändert.
Beispiel: Der Hauptantrag sieht die Diskussion und Beschlussfassung über die Anschaffung eines größeren Grills für das Vereinsheim vor. Per Änderungsantrag soll in dem Zusammenhang auch gleich die Anschaffung einer Kühltruhe für die Lagerung von Getränken und Grillgut diskutiert werden.
- Verfahrensanträge
Verfahrensanträge beziehen sich auf den eigentlichen Ablauf der Mitgliederversammlung und zielen darauf ab, die Art und Weise festzulegen, wie die Versammlung abgehalten wird, wie die Diskussionen strukturiert werden oder wie die Abstimmungen durchgeführt werden sollen. Sie können also erst während der Versammlung gestellt werden und erfordern eine separate Abstimmung. Verfahrensanträge können nicht durch die Satzung unterbunden, aber an Bedingungen geknüpft werden (z. B. der Antrag muss von mindestens x Mitgliedern eingebracht werden).
Beispiel: Ein Mitglied kann beantragen, dass die Reihenfolge der Tagesordnung geändert oder die Redezeit für einzelne Redner begrenzt wird, um sicherzustellen, dass die Versammlung möglichst effizient abläuft.
- Dringlichkeitsanträge
Wie heißt es so schön: Unverhofft kommt oft. Um schnell auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren zu können, gibt es Dringlichkeitsanträge. Dabei handelt es sich um Sachanträge, die nach Festlegung der Tagesordnung eingereicht werden. Laut BGB dürfen Dringlichkeitsanträge aber ohne entsprechende Satzungsregel in der Mitgliederversammlung lediglich diskutiert und nicht zur Beschlussfassung gebracht werden, um auch hier den Grundsatz der ausreichenden Vorbereitungszeit nicht auszuhebeln. Die Vereinssatzung kann aber eine Beschlussfassung über nachträglich gestellte Anträge zulassen – unter formellen und/oder materiellen Einschränkungen, wie z.B. eine weitere Fristfestlegung („innerhalb von X Tagen nach der Einberufung“) oder Ausnahme von Beschlüssen mit einschneidender Bedeutung für den Verein. Das bedeutet konkret: Beschlüsse, die eine unmittelbare und gravierende Auswirkungen auf die Rechte und Pflichten der Vereinsmitglieder haben und das Vereinsleben maßgeblich bestimmen, dürfen nicht auf Basis eines Dringlichkeitsantrag gefasst werden.
Satzungsformulierung: Dringlichkeitsanträge können auf einer Mitgliederversammlung nur zugelassen werden, wenn dies mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder beschlossen wird. Anträge auf Abwahl des Vorstands, auf Änderung oder Neufassung der Satzung sowie auf Auflösung des Vereins können nicht im Wege des Dringlichkeitsantrages gestellt werden
- Initiativanträge
Stellt ein Mitglied spontan während der Mitgliederversammlung einen Antrag, um noch über ein bestimmtes Thema debattieren und abstimmen zu wollen, handelt es sich um einen Initiativantrag. Auch hier gilt: Mit Einverständnis des Versammlungsleiters bzw. der Mitgliederversammlung darf über den Antrag zwar diskutiert werden, ein Beschluss darf aber nicht gefasst werden. Auch hier kann eine Satzungsregel anderes bestimmen. Es ist aber zu bedenken, dass die Zulassung solcher Anträge zulasten der Mitglieder geht, die von der neuen Situation überrascht werden und dadurch kaum über die zusätzlichen Anträge verantwortlich abstimmen können.
- Minderheitenbegehren
Da der Vorstand nicht verpflichtet ist, Anträge zur Tagesordnung anzunehmen, kann dies durch ein Minderheitenbegehren erzwungen werden, welches unter Angabe von Zweck (Ergänzung der Tagesordnung) und Grund (Weigerung des Vorstands) schriftlich eingereicht werden muss. Das BGB sieht dabei vor, dass mindestens zehn Prozent der Mitglieder das Minderheitenbegehren unterstützen müssen. ABER: Die Fristen und Formalitäten, die sich dabei aus Satzung und Gesetz ergeben, müssen auch in diesem Fall eingehalten werden. Ist also die Vorgabe durch das BGB, dass die Tagesordnung schon bei der Einladung mitgeteilt werden muss, nicht per Satzung abgeändert, kann auch ein Minderheitenbegehren keinen zusätzlichen TOP erzwingen.
Muss jeder Antrag auf die Tagesordnung?
Für die Aufstellung der Tagesordnung ist – sofern die Satzung nichts anderes vorgibt – das Einberufungsorgan zuständig. In der Regel ist das der Vorstand. Auch wenn grundsätzlich jeder Antragsteller unter Einhaltung der Regularien das Recht hat, sein Anliegen auf die Tagesordnung setzen zu lassen, liegt die Entscheidung, welche TOP aufgenommen werden, letztendlich beim Einberufungsorgan. Eine einklagbare rechtliche Verpflichtung, Anträge von einzelnen Mitgliedern auf die Tagesordnung zu setzen, besteht nicht.
Welche Rechte und Pflichten hat der Vorstand?
Jedoch muss der Vorstand alle eingereichten Anträge gewissenhaft prüfen und auch in die Tagesordnung aufnehmen, wenn sie das Vereinsleben betreffen und in die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung fallen. Eine Ablehnung ist deshalb nur aus rein sachlichen Gründen möglich. Die Mitgliederversammlung selbst kann aber per Beschluss einzelne TOP streichen oder vertagen. Die Streichung eines Minderheitsbegehrens ist jedoch unzulässig. Dieses Recht hat der Vorstand nur, wenn das Minderheitenrecht missbraucht worden ist oder die formellen Vorgaben nicht eingehalten wurden.
Tipp: Zeigen Sie sich grundsätzlich offen und gesprächsbereit – auch für die Anliegen einzelner Querulanten. Meist zeigt sich schon während der Mitgliederversammlung, ob diese Themen wirklich die Mehrheit der Mitglieder beschäftigen. Durch eine sachliche und geschickte Moderation lassen sich unangemessene Anträge dann von der Tagesordnung nehmen oder zumindest schnell abhandeln.